Kongressbericht Onkologisches Diskussionsforum RehaKolloquium 2024
Alters- und lebensphasenabhängige rehabilitative Bedarfe von Krebserkrankten
Die rehabilitative Nachsorge ist im Behandlungskontinuum von Krebserkrankten ein integraler Aspekt. In einem Diskussionsforum im Rahmen des diesjährigen Rehabilitationswissenschaftlichen Kolloquiums (18. bis 20. März 2024, Bremen) wurden alters- und lebensphasenabhängige rehabilitative Bedarfe von Menschen mit Krebserkrankungen und Herausforderungen in der Umsetzung dieser Bedarfe in der aktuellen klinischen Praxis erörtert.
In Deutschland erbringt überwiegend die Deutsche Rentenversicherung (DRV) im Rahmen ihres gesetzlichen Versorgungsauftrages für Versicherte im Erwerbsleben (§15 SGB VI) sowie für Versicherte, die bereits aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind (§31 SGB VI), Leistungen zur onkologischen Rehabilitation. Die einleitenden Ausführungen von Dr. Christian Wuchter-Czerwony (DRV Bund) zeigten im Verlauf der letzten zehn Jahre einen Rückgang der Rehabilitationen bei (Alters-)Rentenbeziehenden im Vergleich zu aktiv Versicherten. Im Jahr 2022 erfolgte die Mehrzahl (71%) aller Rehabilitationen bei (Alters-)Rentenbeziehenden als Anschlussrehabilitation (AHB) im Vergleich zu 53% bei den Erwerbstätigen.
Aufrechterhaltung der Alltagsautonomie mit Vermeidung von Pflegebedürftigkeit im zunehmenden Fokus in der onkologischen Rehabilitation älterer Krebserkrankter
Im erwerbsfähigen Alter ist - neben der Verbesserung tumor- und therapiebedingter körperlicher und seelischer Teilhabestörungen - die berufliche (Re-)Integration ein zentraler Aspekt der onkologischen Rehabilitation. Bei Krebserkrankten, die aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind, stehen der Erhalt und die Verbesserung der körperlichen Mobilität zum Erhalt der Alltagsautonomie im Vordergrund. Ältere onkologische Patientinnen und Patienten haben somit nicht nur aufgrund der tumor- und therapiebedingten Funktionseinschränkungen, sondern auch wegen altersassoziierter Multimorbidität Rehabilitationsbedarf. Gemäß Dr. Mario Schubert (MEDICLIN Kraichgau Klinik) erschwert dieser Aspekt bei vielen älteren Krebserkrankten die Zuordnung und Abgrenzung einer onkologischen zur geriatrischen Rehabilitation. Seines Erachtens kann die geriatrische Rehabilitation dabei speziell die Versorgung geronto-onkologischer Patientinnen und Patienten mit ausgeprägten Mobilitätseinschränkungen optimieren. Laut Dr. Soha Asgari (DRV Bund) sollten in dieser Hinsicht sowohl die onkologischen rehabilitativen Behandlungskonzepte als auch die damit verbundenen Qualitätssicherungsaspekte inhaltlich neu gedacht werden.
Berücksichtigung lebensphasenabhängiger psychoonkologischer Bedarfe von Krebserkrankten
Gemäß Prof. Dr. Corinna Bergelt (Universitätsmedizin Greifswald) werden die in den verschiedenen Lebensphasen sich teilweise deutlich voneinander unterscheidenden psychoonkologischen Bedarfe von Krebserkrankten in der aktuellen klinischen Praxis möglicherweise nicht ausreichend berücksichtigt. Speziell ältere Krebspatientinnen und -patienten sorgen sich aufgrund des täglich erlebten Rückgangs körperlicher, psychomentaler und sozialer Ressourcen sowie wachsender Vulnerabilität um eine ausreichende körperliche Belastbarkeit zum Erhalt ihrer Alltagsautonomie. Während eines mehrwöchigen Rehabilitationsaufenthaltes können diese psychoonkologischen Aspekte berücksichtigt werden. Für Prof. Dr. Bergelt ist jedoch eine weitergehende Integration der Psychoonkologie bereits im Setting der initialen Akutbehandlung mit einem effektiven Informations- und Behandlungstransfer an die nachfolgende ambulante (fachärztliche) Behandlung und Tumornachsorge sowie rehabilitative Nachsorge wünschenswert.
Zentrale Herausforderung im klinischen Alltag: Adäquate Vernetzung der onkologischen Akutbehandlung mit der rehabilitativen Nachsorge
Im Vergleich zu den Krebserkrankten im erwerbsfähigen Alter ist in der täglichen klinischen Praxis laut Prof. Dr. Oliver Rick (Klinik Reinhardshöhe, Bad Wildungen) und Prof. Dr. Ulf Seifart (Klinik Sonnenblick, Marburg) bei älteren Krebspatientinnen und -patienten eine größere Heterogenität hinsichtlich der rehabilitativen Bedarfe und Bedürfnisse zu berücksichtigen. Zunehmend stehen jedoch altersunabhängig die therapiebedingten Funktionsstörungen durch längerfristige innovative immuntherapeutische Behandlungsstrategien im Fokus. Diese lassen sich positiv durch die multimodale Rehabilitationsbehandlung beeinflussen und im Rahmen der mehrwöchigen Betreuung kompetent hinsichtlich ihrer Rückführung in den Alltag in Bezug auf den Erhalt der Aktivitäten des alltäglichen Lebens („activities of daily living“, ADL) evaluieren.
Von allen Diskutanten wird nachdrücklich eine weitergehende Vernetzung der rehabilitativen Nachsorge sowie psychoonkologischer Behandlungsaspekte mit der initialen Diagnostik und antineoplastischen Therapie in den onkologischen Kliniken der Akutversorgung gefordert. Dies sei aktuell eine der vordringlichsten Aufgaben zur Wahrung eines qualitativ hochwertigen und umfassenden Behandlungskontinuums für Krebserkrankte. Verpflichtende Standards, z.B. in Form einer Mindestmenge an Beratungen, für onkologische Kliniken der Akutversorgung bezüglich der Informationsweitergabe entsprechender Begleit- bzw. Nachsorgeoptionen an die Krebserkrankten und deren Angehörige wären hier zielführend.
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